Elisabeth Veldhues (Landsbehindertenbeauftragte NRW)
Alle Menschen profitieren von Barrierefreiheit, so beispielsweise
Familien mit Kindern und ältere Menschen. Auch bei eingeschränkter
Mobilität im Alter, Krankheit oder langfristiger Behinderung ist es für
jeden von uns wichtig, im gewohnten Umfeld weiterhin wohnen zu können.Für alle Menschen mit und ohne Behinderung ist das soziale Netz die
Grundbedingung für ein gutes Leben, also das gewohnte Quartier mit
Nachbarschaft, sozialen Diensten und der erforderlichen bekannten
Infrastruktur. Wohnen im vertrauten Quartier sichert jedem von uns eine
hohe Lebensqualität.
Einführung
Derzeit leben in Nordrhein-Westfalen rund 2,6 Mio. Menschen, die nach den Bestimmungen des SGB IX als Menschen mit Behinderungen anerkannt sind. Etwa 1,7 Mio. Menschen (9,5 Prozent der Gesamtbevölkerung) haben eine Schwerbehinderung, also einen anerkannten Grad der Behinderung (GdB) von 50 Prozent und mehr.
Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK)
ist im Jahr 2009 in Deutschland in Kraft getreten und verpflichtet die
Vertragsstaaten, die Menschenrechte und Grundfreiheiten aller Menschen
zu gewährleisten und zu fördern (Art.
Die UN-Behindertenrechtskonvention bezieht sich auf alle Menschen mit Behinderungen, unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrem Alter, ihrer sexuellen Identität, ihrer Herkunft, ihrem Lebensverlauf sowie auf alle Lebensbereiche und Lebenslagen. Sie hat ihren Ausgangspunkt in der jeweils individuellen Lebenssituation, die sie nicht aufteilt in Sparten und Segmente, sondern insgesamt, das heißt als nicht teilbar und inklusiv wahrnimmt (nrw-inklusiv 2012).
Der Aktionsplan der Landesregierung zur Umsetzung der
UN-Behindertenrechtskonvention und der Masterplan altengerechte
Quartier.NRW weisen sowohl hinsichtlich ihrer Zielgruppen als auch
hinsichtlich der Instrumente, Maßnahmen und Praxisbeispiele große
Überschneidungen auf, die zeigen, dass eine strikte Abgrenzung nicht
funktionieren kann, sondern auch hier dem Anspruch der Inklusion –
ausgehend von den Bedürfnissen des Einzelnen – Rechnung getragen werden
muss.
Daher sollen hier Praxisbeispiele vorgestellt werden, die eine gelungene Umsetzung dieses Gedankens demonstrieren.
Für Menschen im Alter, ob mit oder ohne Behinderung, bildet das
Quartier und Wohnumfeld einen wichtigen Bezugsrahmen für die alltägliche
Lebensgestaltung. Insbesondere das Quartier ist dabei der Ort, an dem
Partizipation und Teilhabe ermöglicht und sichergestellt werden kann und
sollte.
Für die Entwicklung eines inklusiven Gemeinwesens und die
Quartiersarbeit sind fünf Themenfelder zu beachten (vgl.
Rohrmann/Schädler 2014, S. 14/15):
Partizipation und Selbstvertretung von Menschen mit Behinderungen
Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung für die Idee der Inklusion
Gestaltung einer barrierefreien Infrastruktur
inklusive Gestaltung von Bildungseinrichtungen und anderer
Einrichtungen für die Allgemeinheit (Vereine, Museen, Theater,
Verwaltungen usw.)
Planung und Entwicklung flexibler und inklusionsorientierter Unterstützungsdienste
Menschen mit Behinderung gezielt in die Quartiersentwicklung
einzubeziehen erfordert neben der Schaffung barrierefreier Zugänge und
Formate auch die verstärkte Vernetzung, Information und Kooperation der
Anbieter sozialer Dienstleistungen. Eine wechselseitige Öffnung der
Träger und Angebote der Alten- und der Behindertenhilfe ist daher
erforderlich. Konkrete Maßnahmen sollten sich an Zielen orientieren, die
den Bedarfen der Betroffenen gerecht werden und aus der Perspektive der
Quartiersbewohnerinnen und Quartiersbewohner formuliert sind. Unter dem
Motto „Einfach machen!“ („Einfach machen“ ist das Motto zur Umsetzung
der UN-BRK im Nationalen Aktionsplan der
Bundesregierung) wird deutlich, dass es darauf ankommt, den Prozess
aktiv anzugehen, den Anforderungen mit Offenheit zu begegnen und die
ersten Schritte in Richtung inklusives Gemeinwesen zu gehen.
Häufig sind daher zu Beginn nicht die baulichen Barrieren das
Problem, sondern die Barrieren in den Köpfen. Berührungsängste bauen
sich nur sehr langsam ab, ebenso erfordert die Orientierung am Willen
des Betroffenen, statt eines „ich weiß was für dich gut ist“ häufig
Ausdauer und Selbstüberwindung der Helfer. Gerade erst im Alter oder
alters- bedingt auftretende Einschränkungen werden durch die Betroffenen
negiert oder führen z.B. aus falschverstandener Scham zum Rückzug aus
dem sozialen Leben. Hilfe anzunehmen fällt ihnen häufig schwerer als
selbst zu helfen.
Hier bietet sich eine Vielzahl von Ansatzpunkten unter Stichworten
wie Sensibilisierung, Abbau von Berührungsängsten und Aufklärung, die
als erste Schritte geeignet sind. In diesem Zusammenhang können auch
Bedarfserhebungen erfolgen, um festzustellen was im Quartier benötigt
wird und welche weiteren Schritte sinnvoll sind. Beispiele wären u.a.:
Beratungsangebote zu Themen wie Wohnen, Mobilität, Freizeit, Pflege, technischen Hilfen,
die Organisation von Fahrdiensten
die Erfassung von Barrieren im Quartier
die Vermittlung in eine Selbsthilfegruppe,
Vernetzung und Kooperation der Anbieter sozialer Dienstleistungen.